Der alte Ort. Schön und schäbig. Die Fensterrahmen in den Garderoben der Tänzerinnen sind lange nicht gestrichen worden, die Gardinen hängen schlapp, Gittertüll, war mal begehrt, war mal modern, irgendann in den Sechzigern. Das Tutu auf dem Fensterbrett, fröhlich aufgeplustert, touchiert die müde alte Gardine in gewohnter Vertrautheit, Tüll zu Tüll, Berührung in Geborgenheit, Schwanensee forever.
Kerstin Zillmer ist die Entdeckerin dieses Stillebens kurz vor dem Abschied. Ihre Fotografien erzählen vom Leben des Balletts hinter den Linden, hinter der Staatsoper. Vorbei. Eine Epoche geht zu Ende, fünfundfünfzig Jahre lang war das Ballett in den Räumen der Staatspoer beheimatet.
Die Fotografin folgte dem Sog des stilistischen Chaos. Die Prosa des Gebrauchs atmet die Poesie der Zeugenschaft. Der Geruch nach Linoleum, Puder und Kantinenessen, dieser gebrochene Glamour, bestätigte die Fotografin darin, die letzte Zeit am alten Ort festzuhalten.
Zillmers Fotos haben etwas Latentes, in der Entwicklung Begriffenes, noch nicht Sichtbares, etwas nicht Festgemachtes. Die Zukunft lebt in der Gegenwart, die in der Vergangenheit auf ihre Möglichkeit gewartet hat.
Text: Jutta Voigt, 2010